Die Frühstück-Lüge
Seit Jahrzehnten wird uns buchstäblich aufgetischt, dass das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages sei. Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein König uns Abendessen wie ein Bettler. An diese goldenen Worte klammern sich viele seit ihrer Kindheit. Inzwischen mehren sich aber Stimmen, die das Dogma vom Frühstück als Unfug bezeichnen. Das sind gute Nachrichten für Frühstucksmuffel!
[Eines vorweg: in diesem Beitrag geht es nicht um Ernährung bei Kindern - es geht nur um Erwachsene. Allgemein kann das Auslassen von Mahlzeiten je nach Einzelfall nicht empfehlenswert sein (z.B. für Schwangere). Im Zweifel sollte man also vorher einen Arzt konsultieren.]
Argumente fürs Frühstück
Frühstück-Befürworter haben gute Argumente
Diejenigen die ein ordentliches Frühstück befürworten, haben einige gute Argumente auf ihrer Seite. Sie sind Wasser auf die Mühlen derjenigen, die ohnehin gerne frühstücken.
Pro Frühstück
Rufen wir uns also erst einmal einige der gängigen Argumente für ein ausgiebiges Frühstück in Erinnerung:
- das Auslassen des Frühstücks kann später am Tag zu Heißhungerattacken führen (Gefahr des "binge eating")
- wer das Frühstück überspringt bringt seinen Körper in einen evolutionsbedingten Notmodus. Der Körper speichert die später aufgenommene Nahrung dann direkt als Fettreserve für schlechte Zeiten
- ein gutes Frühstück macht leistungsfähig für den ganzen Tag
- ein ausgiebiges Frühstück tut einfach gut und der Tag startet dadurch richtig
Contra Frühstück
Tagesablauf
Aus praktischer Sicht: wer hat schon die Zeit, sich morgens schön Eier zu braten, einen Smoothie zuzubereiten und Gemüsesticks zu schnitzen? Und das am besten noch für die ganze Familie, versteht sich. Dass alle gemeinsam essen sollten wird ja sowieso empfohlen. Und davor noch eine kalte Dusche, wie es der "Iceman" Wim Hof rät. Ein morgendliches Workout darf natürlich auch nicht fehlen. Das ist derzeit der vermeintliche Goldstandard der Morgenroutine.
Leider ist dieses Programm für einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung nicht machbar. Und eventuell ist es tatsächlich besser, das Frühstück zu überspringen. Anstatt sich zwischen Tür und Angel einen Kaffee und ______ [hier ein ungesundes Nahrungsmittel Deiner Wahl eintragen] einzuverleiben.
Evolution
Oben hatten wir ja schon die "Evolution" als Argument für das Frühstück. Mit der vielzitierten Evolution ist das aber eben so eine Sache. Man hat gelegentlich den Eindruck, dass die Evolution - je nachdem wie es gerade zur eigenen Meinung passt - mal hierhin, mal dorthin gebogen und gezerrt wird. Sie lässt sich scheinbar wie ein Esel vor jeden Karren spannen.
Daher jetzt ein Argument das aus Evolutionssicht gegen das Frühstück spricht: Unsere beerensammelnden und mammutjagenden Vorfahren hatten ziemlich sicher nicht 3 Mahlzeiten am Tag (plus Snacks). Und dass die Steinzeitkollegen jeden Morgen erst mal ausgiebig gefrühstückt haben darf auch bezweifelt werden.
Forschung
Mark Mattson hat seit Jahrzehnten kein Frühstück gehabt. Er ist ein weltweit führender Forscher auf dem Gebiet des intermittierenden Fastens. Mattson arbeitet als Professor an der John Hopkins University. Er ist nicht nur aus persönlicher Überzeugung ein Frühstücks-Überspringer.
Seine Forschungsergebnisse stellen das Frühstücksdogma seit Jahren in Frage. Laborversuche haben ergeben, dass intermittierendes Fasten vor Alzheimer und Parkinson schützt. Mehr noch: Labortests weisen stark darauf hin, dass vorübergehender Nahrungsentzug vor Krebs schützt. Es wird vermutet, dass der vorübergehende Stress der durch das Auslassen gewohnter Mahlzeiten auftritt, die Zellen stärkt. Eine Art "Training" für den Organismus.
"Es gibt keine klaren Beweise dafür, dass das Auslassen von Frühstück oder Mittagessen [oder beides] ungesund ist, und Tierversuche deuten sogar darauf hin, dass das Gegenteil der Fall ist" Prof. Mark Mattson
Auch in Deutschland mehren sich die Stimmen, die das Auslassen von Mahlzeiten befürworten. Prof. Andreas Michalsen urteilt positiv: "Studien zeigen, dass [...] Essenspausen von 16 Stunden bereits einen positiven Effekt haben. Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin- und Entzündungswerte verbessern sich, das Gewicht geht runter und die Stimmung hellt sich auf." (siehe Stern).
Wem soll man glauben?
Unvoreingenommene Wissenschaft?
Allgemein wird man als interessierter Laie das Gefühl nicht los, dass sich die "Experten" alle paar Jahre selbst widersprechen. Mal "hü", mal "hott". Das hat verschiedene Gründe. Manchmal spielt auch schlicht Geld eine Rolle, in welche Richtung geforscht wird und welcher Trend gerade gepusht wird. Ob das beim Frühstück eine Rolle spielt, kann man nicht sicher sagen.
Zumindest gibt es keine offensichtlichen finanziellen Interessen daran, "gegen das Frühstück zu forschen". Umgekehrt sieht allerdings es anders aus: Man kann sich kaum vorstellen, dass Nestlé & Co. davon begeistert wären, wenn Millionen Menschen auf das vielgepriesene Frühstück verzichten würden. Das könnte übriges auch ein Grund dafür sein, dass Kellogg's Forschung finanziert als deren Ergebnis herauskommt, dass Cerealien ein ideales Frühstück seien. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Fazit
Nicht jeder Mensch ist gleich. Vieles spricht aber dafür, es einfach mal auszuprobieren. Dabei muss man nicht "von Null auf Hundert". Stattdessen kann man versuchen das Frühstück jeden Tag eine halbe Stunde länger hinauszuzögern. Bis der komplette Verzicht überhaupt kein Problem mehr darstellt.
Für die besonders Wissbegierigen hier noch ein bisschen extra-Lesematerial:
Frühstück-Befürworter:
http://www.fitforfun.de/abnehmen/gesund-essen/fruehstueck/fuenf-gruendeaid2603.html
http://www.livestrong.com/article/511962-five-reasons-why-you-should-eat-breakfast/
Frühstück-Kritiker:
https://well.blogs.nytimes.com/2016/03/07/intermittent-fasting-diets-are-gaining-acceptance/
https://nihrecord.nih.gov/newsletters/2016/02122016/story1.htm
http://articles.latimes.com/2006/sep/18/health/he-breakfast18
Über voreingenommene und korrumpierte Wissenschaft:
https://www.nytimes.com/2016/05/24/upshot/sorry-theres-nothing-magical-about-breakfast.html